Durch die Publizitätspflicht sind Unternehmen dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit über ihre wirtschaftliche Situation und eventuelle Veränderungen hinzuweisen.
Aktiengesellschaften sind durch das sogenannte Publizitätsgesetz dazu verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse plus einen Lagebericht zu veröffentlichen. Darüber hinaus sind sie dazu verpflichtet, kursrelevante Tatsachen sofort zu melden – Stichwort: Ad-hoc-Publizität.
Sobald Unternehmen im Prime Standard gelistet sind, müssen sie weitere Publizitätsanforderungen erfüllen. Dazu gehört nicht nur das regelmäßige Veröffentlichen des Jahresberichts und der Quartalsberichte, sondern auch, dass die Ad-hoc-Mitteilungen in englischer Sprache zu veröffentlichen sind. Zudem muss das Unternehmen mindestens einmal jährlich eine Analystenkonferenz halten.
Publizitätspflicht nach HGB
Die Publizitätspflicht ergibt sich aus dem Handelsgesetzbuch (HGB), welches die Grundlagen der Handelsgeschäfte und die Buchführungspflichten regelt. Es ist in Deutschland Bestandteil des Privatrechts.
Nach § 325 HGB besteht für alle Kapitalgesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) sowie für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) die Pflicht, alle rechnungslegungsbezogenen Informationen im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Auch Banken und Versicherungen fallen unter diese Regelung.
Offengelegt werden müssen demnach folgende Berichte und Unterlagen:
- der Jahresabschluss,
- der Anhang, sowie
- der Lagebericht.
Geschichte der Publizitätspflicht
Der Ursprung des Rechts geht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Damals führten europäische Städte für jedermann einsehbare Grundbücher ein. Kaufleute aus Italien richteten zu der Zeit die sogenannten Gesellschaftsbücher sowie Vollmachtsregister ein.
Es handelt sich also um eine rechtliche Regelung mit einer sehr langen Geschichte, die nach wie vor eine große Bedeutung hat, wenn es um die wirtschaftliche Bewertung und die Transparenz von Unternehmen geht.
Publizitätspflicht im Jahr 2007 deutlich ausgeweitet
Im Jahr 2007 wurde die Publizitätspflicht umfassend erweitert und betrifft heute ein Drittel der eingetragenen Unternehmen. Vor diesem Zeitpunkt kamen viele Unternehmen der Pflicht nicht nach, weil sie ihren Jahresabschluss vor ihren Mitbewerbern verbergen oder oft auch einfach nur die Kosten für das Publizieren sparen wollten.
Bis zum Jahr 2007 kam es nur zu rechtlichen Konsequenzen, wenn ein Antrag auf Verfolgung gestellt wurde, was allerdings kaum geschah. Mit der neuen Regelung wurde eine rechtliche Verfolgung aller Unternehmen angestrebt, um eine lückenlose Veröffentlichung zu ermöglichen. Die Justizverwaltung überwacht seitdem die Offenlegung und droht mit Geldstrafen bei Zuwiderhandlung.
Der Jahresabschluss muss spätestens zwölf Monate nach Ende des Geschäftsjahres publik gemacht werden. Davon betroffen sind alle im § 325 HGB genannten Gesellschaften. Dies betrifft also primär Kapitalgesellschaften. Das Ziel dieses Gesetzes besteht darin, es allen Aktieninhabern, aber auch Mitarbeitern und Gesellschaftern, zu ermöglichen, sich ein Bild über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu machen.
Welche Rechtsformen unterliegen der Publizitätspflicht?
Von der Publizitätspflicht sind Unternehmen verschiedenster Rechtsformen betroffen, wie z. B.
- Firmen, die laut § 1 Publizitätsgesetz eine bestimmte Größe überschreiten.
- Laut § 325 HGB alle Kapitalgesellschaften.
- Personenhandelsgesellschaften, bei denen es keinen persönlich haftenden Gesellschafter gibt, wie das z. B. bei einer GmbH & Co. KG der Fall sein kann.
- Laut § 11 Publizitätsgesetz muss ein Unternehmen, das von der Publizitätspflicht betroffen ist, auch für das Unternehmen einen Konzernabschluss veröffentlichen, auf das es mittelbaren oder unmittelbaren Einfluss hat.
Publizitätspflicht und Erleichterungen basierend auf Unternehmensgröße
Wie weit die Offen- und Rechnungslegungspflichten gehen, hängt von der Größe der Kapitalgesellschaft ab. Mittelgroßen und kleinen Kapitalgesellschaften werden folgende Erleichterungen zugestanden:
- Laut §§ 276 f HGB (Handelsgesetzbuch) muss das Rohergebnis bei der GuV (Gewinn-und-Verlust-Rechnung) nicht aufgegliedert werden.
- Für die Offenlegung kann der Jahresabschluss verkürzt werden.
- Im Anhang ist keine Aufgliederung der Geschäftstätigkeit anhand der Absatzmärkte notwendig.
Kleinere bzw. Kleinstkapitalgesellschaften dürfen sich noch über weitere Erleichterungen freuen:
- Einige Posten der Bilanz können zusammengefasst werden. Welche das sind, kann im §§ 266 f. HGB nachgelesen werden.
- Kleinere bzw. Kleinstkapitalgesellschaften sind nicht zur Offenlegung ihrer GuV verpflichtet, wodurch auch die Angaben im Anhang entfallen (§§ 326 f. HGB). Zudem kann der Anhang laut §§ 288 f. HGB erheblich verkürzt werden.
- Nach §§ 264 ff. HGB muss kein Lagebericht mehr erstellt werden usw.
Publizitätspflicht bei börsennotierten Unternehmen
Besonders streng ist die Publizitätspflicht bei börsennotierten Aktiengesellschaften. Hier beträgt die Frist zur Offenlegung vier Monate, im Gegensatz zu den oben beschriebenen zwölf Monaten. Außerdem kann hier bei einer Zuwiderhandlung, Täuschung oder Unterlassung der Handel mit den Wertpapieren auf Zeit oder für immer ausgesetzt werden.
Börsennotierte Aktiengesellschaften haben neben dem Jahresabschluss und dem Lagebericht zusätzlich zu veröffentlichen:
- den Bericht des Aufsichtsrats,
- den Ergebnisverwendungsvorschlag sowie -beschluss und
- die Entsprechungserklärung zum Corporate Governance-Kodex.
Für börsennotierte Unternehmen gelten zusätzlich noch weitere Verpflichtungen, von denen andere ausgenommen sind. So müssen Aktiengesellschaften neben Jahresabschlussberichten auch alle anderen kursrelevanten Nachrichten, die das Unternehmen betreffen, innerhalb einer bestimmten Zeit veröffentlichen. Zur Veröffentlichung wird der elektronische Bundesanzeiger verwendet.
Sanktionen bei Verletzung der Publizitätspflicht
Firmen, die nicht innerhalb der vom Gesetzgeber vorgegebenen Frist der Publizitätspflicht nachkommen, müssen damit rechnen, dass gegen sie vom Bundesamt für Justiz ein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB eröffnet wird. Vorher wird die Kapitalgesellschaft allerdings per Androhungsverfügung eindringlich aufgefordert, die Veröffentlichung innerhalb der nächsten sechs Wochen nachzuholen.
Eine derartige Androhungsverfügung ist mit Kosten von 103,50 Euro verbunden. Kommt das Unternehmen der Verfügung nicht nach, ohne Entschuldigungsgründe zu liefern, wird ein Ordnungsgeld festgesetzt. Wie hoch das Ordnungsgeld ausfällt, hängt davon ab, wie groß die Gesellschaft ist und welche Art Veröffentlichung verschlafen wurde. Es ist aber mit mindestens 500,- € Ordnungsgeld zu rechnen.
Die Publizitätspflichten von börsennotierten Kapitalgesellschaften sind noch strenger, denn hier haben Unternehmen für die Offenlegung nur eine Frist von 4 Monaten (§ 325 Abs. 4 HGB). Kommt die Kapitalgesellschaft der Pflicht nicht nach, kann der Handel mit deren Aktien ausgesetzt werden. Zudem dürfen natürlich auch die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten nicht vernachlässigt werden, wie z. B. die Ad-hoc-Publizität.
Im Publizitätsgesetz ist außerdem die Publizitätspflichten der Unternehmen geregelt, die zwar keine Kapitalgesellschaft sind, aber trotzdem eine Verpflichtung zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses haben, wie z. B. Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften mit mehr als 5000 Arbeitnehmer, einem Umsatzerlös von 130 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von über 65 Mio.
Publizitätspflichten aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen
Neben gesetzlichen Publizitätspflichten können Börsenbetreiber mit Emittenten auch privatrechtliche Regelungen treffen, wie das z. B. beim Prime Standard der Fall ist.
Bedeutung der Publizitätspflicht für Investoren
Besonders für Aktieninhaber oder interessierte Investoren sind die Veröffentlichungen von großer Bedeutung. Denn sie können unmittelbare Auswirkungen auf den Kursverlauf der Aktien haben. Außerdem erlauben sie, sich einen Überblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu verschaffen. Hier können Anleger wichtige Informationen gewinnen, die eine Prognose über die Zukunft des Unternehmens erlauben.