Bei Ratingagenturen, auch bekannt als CRA (Credit Rating Agencies) oder Rating Services, handelt es sich um private Firmen, deren Hauptaufgabe hauptsächlich in der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Personen, Unternehmen und Staaten liegt. Natürlich bewerten Ratingagenturen auch Finanzinstrumente.
Der Prozess zur Bewertung wird Scoring oder Rating genannt.
Ratingagenturen – einfach erklärt
Bei einer Ratingagentur handelt es sich um Unternehmen, die Emittenten und Schuldinstrumente gewerbsmäßig beurteilen. Diese Ratings bzw. Beurteilungen werden anderen Marktteilnehmern gegen ein gewisses Entgelt bereitgestellt.
Wissenswert: Üblicherweise wird der Auftrag für ein Scoring bzw. Rating vom Unternehmen selbst beauftragt. Dieses trägt auch die Kosten, die für das Rating anfallen. Mit dem Scoring soll Marktteilnehmern geholfen werden, mögliche Risiken besser beurteilen zu können. Das Rating stellt in diesem Fall die Basis für die spätere Geschäftsbeziehung dar.
Es gibt Ratingagenturen verschiedener Größen mit den unterschiedlichsten inhaltlichen und regionalen Schwerpunkten. Ratinggesellschaften, die sich hauptsächlich auf die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Personen konzentriert haben, werden auch Scoring-Unternehmen genannt. Derartige Agenturen erstellen nämlich genau genommen kein Rating. Ratingagenturen werden durch staatliche Aufsichtsbehörden beaufsichtigt und kontrolliert. Diese erteilen den Agenturen auch die entsprechenden Berechtigungen. Verstößt eine Agentur gegen die Sorgfaltspflicht, kann ihr die Berechtigung wieder entzogen werden. Während sich in Europa die ESMA (europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) für die Beaufsichtigung der Ratingagenturen zuständig ist, kümmert sich in Amerika die SEC (Securities and Exchange Comission) um diese Aufgabe. |
Welche Aufgaben hat eine Ratingagentur?
Die Hauptaufgabe einer Ratingagentur liegt darin, für mehr Transparenz in der Wirtschaft zu sorgen. Besonders im Bereich des Kapitalmarkts, denn hier herrscht zum großen Teil eine wirklich sehr hohe Informationsungleichheit. Die Ursache dieser Informationsungleichheit lässt sich zum Teil mit der Prinzipal-Agent-Theorie begründen. Nach dieser Theorie hat jeder Marktteilnehmer eine persönliche Nutzenmaximierung zum Ziel. Das führt dazu, dass Informationen für sich behalten werden, sobald diese als nützlich erachtet werden. Dem Informationsungleichgewicht sollen Ratingagenturen entgegenwirken. Sie sollen dazu beitragen, dass auch Kleinanleger die Informationen bekommen, die sie für ihre Informationsentscheidungen benötigen.
Ratingagenturen müssen ein Rating unabhängig, qualitativ und objektiv ermitteln, damit das Ergebnis auch tatsächlich einen Nutzen hat und einen hohen Informationsgehalt aufweisen kann. Detailgrad und Informationsgehalt eines Ratings können sich abhängig von der Agentur, die das Rating durchgeführt hat, und dem Kontext der Bewertung deutlich unterscheiden.
Ratingagenturen: die Historie
Bereits 1857 gab es die ersten Vorläufer der Ratingagenturen in den Staaten. Während der Zeit des Wilden Westen wurde von Lewis Trappan ein Informationsnetzwerk betrieben, das die Aufgabe hatte, möglichst viel über Kreditnehmer herauszufinden, um mehr über deren Absichten und wirtschaftliche Lage zu erfahren. Die erste Ratingagentur, wie wir sie heute kennen, entstand jedoch erst drei Jahre später. Gegründet wurde sie von Henry Poor. 1909 kam Moodys Investor dazu und 4 Jahre später Fitch Ratings. Fitch Ratings war die erste Agentur, die Finanzstatistiken veröffentlichte, die heutigen Ratings stark ähneln.
Wissenswert: Anfangs wurden von den 3 Gesellschaften nur Eisenbahngesellschaften der USA bewertet. Diese benötigten eine erhebliche Menge Kapital, um das örtliche Schienennetz auszubauen. Das benötigte Kapital wurde über Kredite finanziert. Eben die Kreditgeber waren diejenigen, die wissen wollten, wie sicher die jeweiligen Schuldnergesellschaften ihren Kredit bedienen konnten. Ab 1928 wurden noch weitere Objekte bewertet, wie die Staatsanleihen verschiedener Länder usw. 2009 sollte es mit der Creditreform erst die erste von der ESMA anerkannte Ratingagentur geben.
The Big Three Während der 70er Jahre hatten Fitch, Standard and Poors und Moodys eine Vormachtstellung. |
Neben internationalen Ratingagenturen gibt es mittlerweile auch nationale Unternehmen, die im Auftrag Ratings durchführen. Im deutschen Sprachgebrauch werden sie als Wirtschaftsauskunfteien bezeichnet. Diese Unternehmen haben aber geringere Befugnisse als klassische Ratingagenturen. Sie sind also reine Lieferanten von Informationen, auf die Banken, Vermieter und/oder Industrieunternehmen zugreifen können.
Wissenswert: Eine der bekanntesten deutschen Wirtschaftsauskunftei ist die Schufa Holding AG. Bezüglich Bonitätsdaten ist sie der Marktführer in Deutschland.
Die Vor- und Nachteile von Ratingagenturen
Kaum Konkurrenz
Aktuell wird der Markt immer noch von den Big Three dominiert, auch wenn es mittlerweile verschiedene Anbieter auf dem Markt gibt. Eben aufgrund der fehlenden Konkurrenz können Ratingagenturen ihre Preise eigentlich so gestalten, wie sie wollen. Manche Ratingagenturen verlangen von ihren Kunden für ein Rating einen höheren sechsstelligen Betrag. Darüber hinaus gab es schon Vorfälle, bei denen die Ratingagenturen ihre Marktmacht missbräuchlich einsetzten.
Fehlende Objektivität
Ratingagenturen werden von demjenigen bezahlt, den sie eigentlich objektiv beurteilen sollen. Hierbei handelt es sich um eine Situation, die man eigentlich als Interessenkonflikt bewerten könnte. Hinzu kommt, dass die Big Three ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zur Politik haben. Alle drei Ratingagenturen stammen aus den USA. Während andere Länder aufgrund der steigenden Verschuldung schon einmal abgewertet wurden, gab es das für die USA bisher noch nicht.
Datenabhängigkeit
Ratingagenturen sind von den Daten Dritter abhängig, denn sie verwenden die testierten Jahresabschlüsse der Unternehmen, die sie für ein Rating beauftragt haben. Diese wurden zwar von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf ihre Richtigkeit überprüft, die Agenturen selbst prüfen aber die Richtigkeit der Daten nicht. Was ein großer Fehler ist, denn es kam schon des Öfteren vor, dass Abschlüsse von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testiert wurden, die eigentlich fehlerhaft waren.
Mangelnde Transparenz
War es anfangs nachvollziehbar, wie die Agenturen die zu bewertenden Objekte analysieren und beurteilen, sind die Verfahren mittlerweile immer komplexer geworden. Die Entscheidungsfindung wird mittlerweile sogar als Betriebsgeheimnis verkauft, wodurch nur das Ergebnis veröffentlicht wird. Das führt dazu, dass die Arbeit der Ratingagenturen nur schwer kontrolliert werden kann.
Mangelnde Haftbarkeit
Ratingagenturen sind für ihre abgegebenen Einschätzungen nicht haftbar, da sie aus rechtlicher Sicht nur eine Meinung abgeben. Eben das ist das Problem, denn ist ein Rating falsch, hat das Konsequenzen für das beurteilte Objekt für die Ratingagentur aber nicht.
Nachdem die Kritik an Ratingagenturen immer lauter wurde, wurden von der EU 2013 neue Beschlüsse veröffentlicht, um die Vorschriften für Ratingagenturen zu verschärfen. Das Ziel war dabei, Ratingagenturen mehr in die Verantwortung zu nehmen und für eine höhere Transparenz zu sorgen. Im Rahmen der Beschlüsse wurde dafür gesorgt, dass Ratingagenturen schadensersatzpflichtig werden, sobald Sie falsche oder fahrlässige Bewertungen veröffentlichen. Des Weiteren dürfen Ratings für europäische handelbare Instrumente und Unternehmen nur dann veröffentlicht werden dürfen, wenn die Börsen geschlossen sind, um zu vermeiden, dass es zu Irritationen am Markt kommt oder direkt Einfluss auf die Kurse genommen wird.
Da auch die Ratingzusammensetzung nicht klar kommuniziert werden musste, wurde durch die EU verfügt, dass die Bewertungskriterien offenzulegen sind. Dadurch soll zumindest eine teilweise Transparenz gewährleistet werden.
Wissenswert: Seit 2013 behält sich die EU vor, Sanktionen oder Bußgelder zu verhängen, sollten Ratingagenturen gegen die Richtlinie verstoßen. So musste die Ratingagentur 2021 eine Strafe von 3,7 Millionen Euro bezahlen, weil sie einen Interessenkonflikt nicht öffentlich gemacht hat.